«Daten von Wearables könnten den Gang ins Schlaflabor ersetzen»
Wenn du schlecht schläfst, bist du mit dem Problem nicht alleine. Schlafforscher Dr. Albrecht Vorster sagt, dass bis zu 30 Prozent aller Menschen an Schlaferkrankungen leiden. Und er ist überzeugt, dass Wearables bei der Diagnose eine wichtige Rolle spielen können.
Es gibt wenige Menschen, die in einem Interview so ausgeschlafen sind – und das, obwohl sie sich hauptberuflich und wissenschaftlich mit Schlaf beschäftigen. Oder ist Dr. Albrecht Vorster vielleicht sogar deshalb so fit, weil er weiss, wie wichtig guter Schlaf ist?
Ich unterhalte mich mit dem Leiter des Swiss Sleep House Bern des Universitätsklinikums Inselspital in Bern. Vorster, geboren 1985 in Köln, hat Biologie und Philosophie studiert und an der Universität Tübingen promoviert. Er ist Buchautor und mehrfacher Gewinner bei Science Slams.
Nach einer Stunde im Gespräch mit ihm, nehme ich viele Erkenntnisse mit.
1. Guter Schlaf kann für manche Menschen eine Herausforderung sein.
Vorster sagt, dass ihm die Frage nach der Schlafqualität zwar häufig gestellt wird, aber die Antwort darauf eigentlich oft wenig aufschlussreich ist. Er selbst schlafe ziemlich normal, doch sei etwa ein Drittel der Bevölkerung von Schlafstörungen betroffen. Die Mehrheit leidet an Schlafapnoe, einer Erkrankung, die unbehandelt zu schwerwiegenden Folgen wie Bluthochdruck oder Depressionen führen kann.
2. Wearables sind eine mögliche Lösung.
Heute sammeln Wearables, also zum Beispiel smarte Uhren am Handgelenk, aber auch das Smartphone, zahlreiche Daten über die Person, die sie nutzt. Diese Messungen der Vitaldaten seien zwar gut, aber es gibt für ihn ein noch besseres Mittel, um eine mögliche Schlafapnoe zu entdecken: Fragebogen auf Papier oder im Internet. Die Fragen dort umfassen beispielsweise Alter, Gewicht und Geschlecht. Apps, die Daten von Smartphones auswerten, können allerdings tatsächlich ebenfalls nützliche Informationen liefern. Dazu nutzen die Apps die Sensoren des Smartphones. Sie zeichnen Schnarchen oder Atemaussetzer auf, von der Uhr am Handgelenk kommen dann noch Daten zu Puls und Herzschlag.
3. Technische Innovation gibt es nicht mehr nur im Schlaflabor.
Vorster sieht neben den inzwischen sehr gängigen Smartwatches und dem Smartphone neben dem Bett weitere Diagnosegeräte, die beim Sammeln wertvoller Daten helfen können. Dazu gehören beispielsweise Ringe, die am Finger den Blutsauerstoffgehalt messen. Oder Sensoren, die unter oder sogar in Matratzen verbaut werden. Auch T-Shirts, die während des Tragens ein EKG schreiben, gibt es bereits. Das alles ergebe ähnliche Möglichkeiten zur Überwachung des Schlafs eines Menschen wie es bis vor ein paar Jahren nur im Schlaflabor möglich gewesen wäre. Die Herausforderung ist inzwischen weniger das Aggregieren von Daten, sondern vielmehr das korrekte Interpretieren. Hier brauche es definitiv ärztlichen Sachverstand.
4. Ärzte und Ärztinnen könnten mehr Zeit zum Zuhören bekommen.
Trotz der technologischen Fortschritte bleiben klinische Schlaflabore unverzichtbar, um schwerwiegende Schlafstörungen zu behandeln. Vorster betont jedoch die Entlastung, die Wearables in der Diagnose bringen können. Ärztinnen und Ärzte haben dank technischer Unterstützung mehr Zeit zum Zuhören. Ein Arzt sei schliesslich dann am wertvollsten, wenn er denkt. Dafür braucht er aber Zeit.
5. Für guten Schlaf gibt es sogar Wellnessprodukte.
Gadgets wie Lichtwecker und Tageslichtlampen sind für Vorster eine andere Kategorie Technik beim Thema Schlafen. Hier handele es sich nicht um medizinische Geräte oder solche, die einen direkten medizinischen Nutzen haben. Aber auch sie können den Schlaf verbessern. Leuchten, welche die natürlichen Lichtverhältnisse imitieren, helfen beim Aufwachen und Einschlafen. Wer Tageslichtlampen nutze um, insbesondere im Winter, Vitamin D zu tanken, sollte wissen, dass die meisten Geräte dafür nicht geeignet sind. Auf jeden Fall ist wichtig, nah genug an der Lichtquelle zu sitzen und das Licht sollte von schräg oben kommen.
Hinweis: Eine als Interview verfasste Version dieses Beitrags ist im Magazin von Galaxus erschienen. Autor Martin Jungfer ist dort als Head of Content für alle redaktionellen Beiträge verantwortlich.